Der nun folgende Bericht endet definitiv nicht so wie ich mir das vorgestellt habe. Um es vorweg zunehmen. Die Tortour 2020 wurde überschattet von dem tragischen Unfall auf dem Oberalppass. Bei der Abfahrt nach Disentis kollidierte ein Radfahrer eines Tortour 4er Teams mit einem entgegen kommenden Motorrad. Der Radfahrer verstarb noch auf der Unfallstelle. Der Motorradradfahrer musste mit schweren Verletzungen mit der Rega ins Spital gebracht werden. Die Tortour wurde zum Zeitpunkt des Unfalls erst mal angehalten, sprich alle noch folgenden Teams wurden auf der Passhöhe Oberalppass blockiert. Nach ca. 2 Stunden kommunizierte die Rennleitung den Abbruch des Rennens bei allen Rennformaten.
Wir sind traurig, schockiert aber auch fassungslos. Selbstverständlich stehen auch wir hinter dem Entscheid der Rennleitung. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Bekannten des verstorbenen Radrennfahrers. Herzliches Beileid vom Tortour-Team der 3star cats sowie vom ganzen Verein.
Unser Team stand während der ganzen Zeit in Kontakt. Wir haben rege kommuniziert und schlussendlich entschieden, dass wir alle mit den Autos nach Hause fahren und das Ganze erst einmal setzen lassen. Wir sind natürlich alle glücklich und auch dankbar, dass wir ohne grössere Blessuren wieder zu Hause bei unseren Liebsten sind.
Ich möchte mich an dieser Stelle schon mal ganz herzlich bei allen bedanken die mit uns gefiebert und uns in Gedanken am Rennen begleitet haben.
Für alle die trotzdem noch wissen möchten wie ich/wir die Tortour erlebt haben ein Bericht im üblichen Stil.
Was ein simpler Kommentar auf einen Facebook-Post vom 21. Juni 2020 ausgelöst hat! Mein Post kommentiert eine 300 KM Radtour, die ich absolviert hatte. Der Kollege schrieb schlicht "Junge, Du solltest Dich für Tortour anmelden". Meine Antwort darauf war: "Sag mal bist Du bescheuert"!
Wie immer lies mir der Gedanke daran dann aber doch keine Ruhe und ich schaute mir das Rennformat doch mal etwas näher an. Aha, man kann die Tortour auch im Team fahren. Das sollte doch möglich sein! Nach einem Aufruf im Age-Grouper Chat meldeten sich Club-Kollegen. Frank Spengler und Sascha Fritschi hätten grundsätzlich Interesse. Als 3er Team kann man jedoch nicht starten. Meinen besten Sport-Kollegen, Gerhard Gürlich, konnte ich schnell begeistern.
Das 4er Team stand!
Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 2. Juli trafen wir uns bei Sascha zu Hause um uns bei einem leckeren Essen einmal über die Tortour zu unterhalten. Sehr schnell war klar, dass trotz dem grossen Respekt und evtl. auch ein bisschen Angst, alle an der Tortour starten möchten. Die Fahrereinteilung war auch schnell vom Tisch. Jeder kannte seine zu fahrenden Etappen. Viele Fragen blieben jedoch offen! Ein paar Tage später war die offizielle Anmeldung getätigt und wir um 2'680 Franken ärmer ;-/ Dass unser Team mit dem Namen 3star cats fährt versteht sich fast von selbst. Die Anmeldegebühr sollte jedoch nicht die letzte Investition sein.
Sehr schnell hatten wir auf auch die für uns zwingend notwendige Begleit-Crew zusammen. Meine Frau Annette Niederbacher, Jutta Reichl, Carina Pusch, Remo Hardegger und Markus Bläuenstein erklärten sich spontan bereit unsere Idee zu unterstützen und sicherten uns den nötigen Support zu.
Nun galt es, so schnell wie möglich unsere Kondition auf Vordermann zu bringen und die logistischen Herausforderungen anzugehen. Wir alle studierten unsere Etappen und stellten entsprechende Trainings zusammen. Der Tessinurlaub, den Sascha als Familienurlaub verkaufte, mutierte zur Trainingseinheit ‚Gotthard Südanstieg‘. Franks Wochenende wurde umgeplant und endete mit dem Abfahren aller seiner Etappen und der Übernachtung in Montreux. Gerhard kriegte wie immer den Hals nicht voll genug und hat aus seinen 65 KM Etappen jeweils 180 KM Radtouren gemacht. Meine Probefahrt auf den Klausen endete leider unschön mit einem Sturz auf der Höhe Urnerboden. Glück im Unglück. Ausser der angekratzten Fassade und einer vermutlich angebrochenen Rippe war alles in Ordnung;-)
Wofür andere ein Jahr Planung benötigten haben, standen uns gerade mal 5 Wochen zur Verfügung. Es galt zwei Begleitfahrzeuge zu organisieren. Diese mussten Platz bieten für jeweils 4 -5 Personen, 3 Fahrräder und Gepäck. Wir entschieden uns für Vans der Marke VW. Und zupp, waren wieder ein paar Hundert Franken vom Konto abgebucht. Des Weiteren mussten die Fahrräder den Anforderungen des Rennformats und der Organisation genügen. So mussten Navigationsgeräte, Vorder- und Rücklichter (immer auch mit Reservematerial), Ersatzteile, Teambekleidung, etc, etc. beschafft werden. Ich habe inzwischen Stammkundenstatus bei Hafners Rad. Damit die Fahrtauglichkeit auch in der Nacht sichergestellt ist, musste das Rennrad mit jeweils 26 Reflektoren beklebt werden. Auch eine kleine Herausforderung wenn das Reglement erst ca. 10 Tage vor Rennstart vorliegt ;-/
Am 12. August dann nochmal ein Treffen im Doktorhaus um sowohl noch offene Fragen zu klären und auch am Renn-Briefing über ZOOM teilzunehmen. Nach dem leckeren Essen konnte wir einstimmig sagen: Wir sind auf Kurs und fast schon bereit. Die letzten Aufgaben waren verteilt und der Ablauf klar. Nächster Treffpunkt am 14. Aug. 18:30 Uhr für das Check-In im Sihlcity.
Das Checkin verlief zügig und nach einer kurzen Nacht standen wir um 05:10 Uhr auf der Startrampe und starteten in das Abenteuer Tortour. Eigentlich wollten wir gemässigt losfahren. Aber schon bald zeigte sich, dass sich jeder von uns um Wettkampf-Modus befand. Das belgische Karussell funktionierte super und so konnten wir die Strecke nach Niederurnen mit einem Schnitt von 34km/h hinter uns bringen.
In Niederurnen fuhr ich dann Solo weiter und hatte den ersten Pass zu bezwingen. Die komplette Crew mit den Fahrern Frank und Sascha konnte sich jetzt bereits nach Disentis verschieben und dort in aller Ruhe frühstücken.
Mein Team konnte sich erst mal um Gerhard kümmern, sein Rad einladen und dann die Verfolgung von mir aufnehmen. Kurz nach Glarus war es auch soweit und wir waren wieder beisammen.
Die zügige Fahrt nach Niederurnen war in den Beinen zu spüren und Rückenwind gab es auch keinen Richtung Linthal. Es ist einfach herrlich wenn man bei bestem Wetter und angenehmen Temperaturen den Klausen befahren kann. Schlussendlich büsste ich aber bis Altdorf trotzdem 20 Minuten gegenüber der Planung ein.
In Altdorf stand wie geplant Gerhard bereit und übernahm den GPS-Sender. Seine Etappe führte über Göschenen nach Andermatt und dann den Oberalppass hoch. Gerhard meisterte die Strecke nach Göschenen genau nach Zeitplan. Als wir bei der Teufelsschlucht auf Gerhard warteten, erhielten wir die ersten Infos zu einem schweren Unfall auf dem Oberalppass. Wir wussten auch schon, dass der Pass zur Zeit gesperrt war und die anfahrenden Radfahrer auf der Passhöhe warten mussten. Bis zur Passhöhe war Gerhard voll auf Kurs und im Zeitplan.
Dann wurde alle wartenden Teams zusammengerufen und wir wurden über den Tod eines Tortour-Teilnehmers sowie den Abbruch des Rennens informiert.
Ich kann nur noch einmal sagen, dass uns das alles sehr traurig macht und wir tief betroffen sind. Und ja, selbstverständlich sind wir auch ein bisschen enttäuscht, dass das Rennen so endete. Wir alle hatten aber auch schon viel Spass in der Vorbereitung und haben einen ganz tollen Teamgeist entwickelt. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch noch ganz speziell bei meinen Kollegen sowie der ganzen Crew. Die Tortour wird mir auch trotz dieses tragischen Ereignisses in positiver Erinnerung bleiben.
Sportliche Grüsse vom Tortour-Team der 3star cats wallisellen
Bericht: Stefan Niederbacher